StrategieCamp 2025: Gelassen im Chaos
von Manuel Mederer
Was ich von Vince Ebert über Kontrolle, Zufall und Humor mitgenommen habe
Als Besucher des Bundesverband StrategieForum e.V. StrategieCamp 2025 habe ich mich besonders auf den Vortrag von Vince Ebert gefreut. Ein Physiker, der Kabarett macht und über Strategie, Zufall und Komplexität spricht – das passt ziemlich gut zu meinem Alltag zwischen Konzeption, Design und Marketingpraxis.
Er hat auf unterhaltsame Weise deutlich gemacht, wie sehr wir uns an der Idee festklammern, die Welt ließe sich durchplanen – und wie wenig das mit der Realität zu tun hat.
Die Illusion, alles im Griff haben zu können
Wir lieben klare Pläne, belastbare Zahlen und den Gedanken, dass Erfolg vor allem eine Frage von Fleiß und Technik ist. In vielen Strategie- und Marketingprojekten begegne ich genau dieser Haltung: „Wenn wir nur genug Daten haben und sauber durchplanen, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.“
Vince Ebert hat daran erinnert, dass das ein sehr begrenzter Blick ist. In einfachen Systemen funktioniert das: Wenn ich weiß, welche Kräfte auf einen Gegenstand wirken, kann ich recht genau ausrechnen, wo er landet. Unsere reale Welt ist aber selten so „aufgeräumt“. Märkte, Gesellschaft, Organisationen – das sind komplexe Systeme mit vielen Akteuren, Rückkopplungen und Zufällen.
Für mich war das eine gute Erinnerung: Planung ist wichtig. Aber sie ersetzt nicht die Fähigkeit, mit Überraschungen umgehen zu können.
Komplex statt kompliziert – warum Organisationen keine Maschinen sind
Ein Bild, das bei mir hängen geblieben ist: Ein Flugzeug ist kompliziert, aber beherrschbar. Mit genug Wissen kann ich es auseinandernehmen, verstehen und wieder zusammenbauen. Ein Unternehmen funktioniert anders. Hier kommen Menschen, Stimmungen, Interessen und externe Einflüsse zusammen. Das Ergebnis ist selten linear.
In der Praxis erlebe ich oft, dass wir Organisationen trotzdem wie Maschinen behandeln: mehr Kennzahlen, mehr Prozesse, mehr Reportings. Das kann helfen – wird aber zum Problem, wenn wir glauben, damit alles „im Griff“ zu haben. Ebert plädiert dafür, Komplexität als Rahmenbedingung zu akzeptieren, statt sie wegzuplanen.
Technik und KI: Werkzeuge, keine Weltformel
Spannend fand ich auch seine Haltung zu Daten, Digitalisierung und künstlicher Intelligenz. Ebert ist weit weg von Kulturpessimismus. Er sieht sehr klar, wie hilfreich Algorithmen und Automatisierung sein können – in der Forschung genauso wie im Alltag.
Gleichzeitig war sein Hinweis wohltuend nüchtern: Daten zeigen Muster, aber sie nehmen uns das Denken nicht ab. Künstliche Intelligenz kann beeindruckende Dinge leisten, sie hat aber keine eigenen Werte, keinen Kontext und keinen Humor. In der Zusammenarbeit mit Kundinnen und Kunden erlebe ich etwas Ähnliches: Tools können vieles schneller machen, aber die Frage, was sinnvoll ist und zu den Menschen dahinter passt, bleibt eine zutiefst menschliche Entscheidung.
Fehler, Zufall und Humor als Strategiekompetenz
Was mir an dem Vortrag besonders gefallen hat, war die Verbindung aus naturwissenschaftlicher Nüchternheit und Humor. Ebert hat deutlich gemacht: Fehler, Umwege und Zufälle sind nicht das Betriebsgeräusch, das wir möglichst schnell eliminieren sollten. Sie sind Teil des Systems.
Viele Innovationen entstehen, weil etwas anders läuft als geplant – und jemand neugierig bleibt oder darüber lachen kann. Für mich heißt das übersetzt: In Strategie- und Marketingprozessen brauchen wir Räume, in denen ausprobiert werden darf, ohne dass jeder Fehlversuch sofort als Scheitern verbucht wird.
Was ich für meine Arbeit mitnehme
Für mich als Berater und Gestalter lassen sich aus dem Vortrag einige Leitlinien ableiten:
- Gute Planung bleibt wichtig – aber sie sollte nicht den Anspruch haben, jede Unsicherheit zu eliminieren.
- Komplexität lässt sich nicht wegoptimieren. Sinnvoller ist es, klarer zu entscheiden, wo wir Einfluss haben und wo nicht.
- Daten und KI sind wertvolle Werkzeuge, ersetzen aber nicht den Dialog mit Menschen und das gemeinsame Nachdenken.
- Humor ist kein „nice to have“, sondern hilft, Spannungen auszuhalten und trotzdem handlungsfähig zu bleiben.
Ich bin vom StrategieCamp 2025 mit dem Gefühl nach Hause gefahren, dass wir in unserer täglichen Kommunikationsarbeit noch gelassener mit Unschärfe umgehen dürfen – und dass ein bisschen mehr Humor im Umgang mit uns selbst oft der erste Schritt ist.
Gerne verweise ich auch auf Vince Eberts Buch “WOT SE FACK, Deutschland. Warum unsere Gefühle den Verstand verloren haben” (https://www.vince-ebert.de/)
Hinweis: Dieser Beitrag ist meine persönliche, stark verkürzte Zusammenfassung eines Vortrags von Vince Ebert beim StrategieCamp 2025. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und gibt den Inhalt aus meiner Perspektive wieder. Alle eventuellen Verkürzungen oder Fehlinterpretationen liegen bei mir, nicht beim Referenten.